Der nachfolgend dargestellte Ortsplan des kommunistischen Vernichtungslagers JAREK enthält neben verschiedenen
anderen Informationen vor allem Angaben über die Lagereinrichtungen und die 3
Leidensstationen der Bulkeser.
Quellen: Franz Fuderer "Jareker Ortsplan 1987 nach dem Stand von
1944/45", Heimatbuch Bulkes, Fritz Ilg, Martha Müller, Franz Straubhaar u.a.
Heinrich Stephan
DIE WAHRHEIT, DIE SCHON 60 JAHRE WARTET
Vorbemerkung:
Den nachstehenden Artikel übermittelte Dipl.-lng. Jovica Stevic aus Serbien zum Thema "Initiative für die Verurteilung von Verbrechen der kommunistischen Behörden, festgestellt von dem Untersuchungsausschuss des Regionalparlamentes der Vojvodina für Wahrheitsfindung".
Er zeigt, wie offen bereits über unser schreckliches Schicksal in unserem Vertreiberstaat berichtet wird. Ich werde es nicht versäumen, dies auch den zuständigen Leuten in der österreichischen Medienlandschaft zur Kenntnis zu bringen.
Anton Ellmer
Dnevnik - 15.3. 2007
"Der Vorsitzende des Ausschusses des Parlaments der Vojvodina, der in der vergangenen Gesetzgebungsperiode die Verbrechen an der Zivilbevölkerung der Vojvodina während des Zweiten Weltkrieges untersuchte, Dr. Dragoljub Zivkovic, begrüßte die Initiative der Parlamentsabgeordneten der Republik vom Verband der Madjaren der Vojvodina mit der Forderung, dass sich das Parlament der Republik mit den Verbrechen an der Zivilbevölkerung der Vojvodina während der kommunistischen Herrschaft befasst
... Es wäre höchste Zeit, dass das auf dem Niveau des Parlaments der Republik geschieht, weil schon ganze 60 Jahre seit diesen Ereignissen vergangen sind, ohne dass sich eines der bisherigen Regime in Serbien und auch vorher in Jugoslawien zu diesen schrecklichen Verbrechen an unschuldigen Zivilisten, die nicht nur an deutschen und ungarischen, sondern auch an serbischen und anderen nationalen Gemeinschaften begangen wurden, geäußert hätte. Wenn das Parlament Serbiens einen solchen Schritt setzen würde, wäre das der Beginn des Bewusst-werdens dieses Staates der Verbrechen, die in seinem Namen von den politischen Strukturen verübt wurden. Das wäre ein wirklicher Beginn der Unterbrechung einer Machtausübung, die auf Verbrechen aufgebaut war. Und der Aufbau einer Machtausübung durch Verbrechen, hat tatsächlich im Jahre 1944 begonnen und dauert bis heute an, denn die Verheimlichung von Verbrechen führt zu deren Wiederholung - hob Zivkovic hervor.
Außerdem hat das Parlament der Vojvodina das erste Sammelwerk mit den Angaben über die Untersuchungen, die vom zuständigen Gebietsausschuss durchgeführt wurden, angenommen. Zivkovic erinnerte daran, dass in diesen Untersuchungen sichtbar geworden ist, dass die Verbrechen an der Zivilbevölkerung der Vojvodina mit "ungehinderter Heftigkeit" auch nach der Beedigung der Kriegskonflikte 1945 bis 1948 fortgesetzt
wurden.
Wir haben festgestellt, dass es nach der Beendigung des Krieges sogar 72 Lager gegeben hat, bzw. dass es für jede Dorfgemeinschaft, in der Deutsche lebten, eine Art Lager gab, wo Zivilisten bis zu ihrer Liquidierung, Vertreibung oder Assimilation festgehalten wurden -erklärte Zivkovic.
Außerdem äußerte sich die Initiative der Parlamentarier der Vojvodina parallel mit der Unterbreitung eines Vorschlages, den Genozid von Srebrenica durch eine Deklaration des Parlaments der Republik zu verurteilen, führte Zivkovic weiter aus. Der Abgeordnetenklub der "Parlamentarier der Vojvodina", der von der Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina und dem Verband der Madjaren der Vojvodina gebildet wird, hat mitgeteilt, dass die Annahme dieses Vorschlages "das Mindeste ist, was die Nationalversammlung tun kann nach dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag". Zugleich hat einer der Einbringer des Vorschlages dieser Deklaration, Laslo Varga vom Verband der Vojvodinaer Madjaren, angekündigt, dass diese Partei dem Parlament Serbiens vorschlagen wird, sich festzulegen, hinsichtlich der Verbrechen, die die kommunistischen Behörden vor und nach Kriegsende, als in der Vojvodina zehntausende Angehörige der nationalen Minderheiten, hauptsächlich deutsche und madjarische, getötet und vertrieben wurden. Er verwies auch darauf, dass der Beschluss, mit dem ihre kollektive Schuld behauptet wurde, bis zum heutigen Tage nicht außer Kraft gesetzt worden ist, so dass die Opfer auch keine Entschädigung erhielten."
Autor des serbischen Artikels: B. D. Savic
Übersetzung: Konsulent Oskar Feldtänzer
Quelle: Dipl.-Ing. Helmut Frisch / ARD-RB 19
Das
JAREKER SAMMELLAGER und die TEMERINER
"Die Temeriner Razzia"
Verfasser: Istvan Adam - Bela Csorba - Marton Matuska -Istvan Ternovacz
Herausgeber: Der Historische Ausschuss der VMDP (Ungarische Demokratische
Partei der Vojvodina)
Im Leidensweg der Ungarn und der Deutschen der Südbatschka kommt dem Jareker
Sammellager eine besondere Stelle zu. Diese Todesfabrik begannen die sich
einrichtenden Partisanenbehörden im Dezember 1944 in Betrieb zu nehmen und
liquidierten sie am 16. April 1946. Wurde zu Anfang lediglich ein Teil der
Batschkaer und syrmischen Deutschen hier interniert, so nach dem 23. Januar
1945 auch die aus Zabalj, Curug und Mosorin ausgewiesenen Ungarn. Sie blieben
bis zum Juni 1945 im Jareker Lager, dann wurden sie nach Gajdobra dirigiert,
von wo sie im Herbst 1945 freikamen.
Jarek liegt nicht mehr als vier Kilometer von Temerin entfernt - heute hat
schon die zwischen den beiden Dörfern künstlich angesiedelte serbische
Gemeinschaft Staro Djurdjevo (Alt-Djurdjevo) die natürlichen Grenzen im
wesentlichen verschwinden lassen - ‚ im Jahre 1787 hatten es die aus
Baden-Württemberg, dem Elsass, der Pfalz, Hessen und dem Saargebiet gekommenen
augsburgisch-evangelischen (lutherischen) Deutschen auf der bis dahin
Klein-Temerin genannten Einöde gegründet, die die Adelsfamilie Szechen zusammen
mit Temerin vom königlichen Schatzamt käuflich erwarb.
Im Jahre 1944 hatte das Dorf annähernd, zweitausend Einwohner. Bewohnt war es
von durch ihren Fleiß berühmten Landwirten und Gewerbetreibenden, die von ihnen
am Ende des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts erbauten Häuser haben mit
ihrer Ästhetik kaum ihresgleichen, obwohl manche seit 1944 weder Verputz noch
Farbe gesehen haben.
Die Jareker deutsche Bewohnerschaft hat im Oktober 1944 nahezu vollzählig die
Ansiedlung verlassen und wählte den Fluchtweg, im Verlauf dessen sie
verhältnismäßig glücklich, mit wenigen Menschenopfern, in die Heimat ihrer
Ahnen zurückgelangte. Es gab jedoch, in erster Linie hilflose Personen und
Greise, die, in ihrem Dorf bleibend, den später als Befreiung bezeichneten
Partisanenterror abwarteten, ohne zu ahnen, dass die neue Macht gerade hier
eines der größten und erbarmungslosesten Sammellager Jugoslawiens errichten
würde. Im Zusammenhang damit muss man anmerken, dass vor dem Zweiten Weltkrieg
ungefähr 343.OOO Deutsche in der Vojvodina lebten. Nach Schätzung der neuen
jugoslawischen Macht wollten oder konnten von dieser Zahl etwa 180.000 Personen
nicht flüchten. Nach Schätzungen fielen mehr als 30.0O0 (unter ihnen Alte,
Frauen und Kinder) den Massakern vom Ende Oktober, Anfang November 1944 zum
Opfer. Die übrigen wurden durch die Militärverwaltung in die vojvodinaweit
errichteten Lager deportiert. Dem konnten nur diejenigen entgehen, denen sich
die Möglichkeit bot, sich zu einer anderen Volkszugehörigkeit zu bekennen (z.B.
der ungarischen). Wie viele Deutsche in den Sammellagern (die wir ruhigen
Gewissens auch als Todeslager bezeichnen können) ihr Leben verloren, darüber
können wir nur schlussfolgern: Nach amtlichen jugoslawischen Angaben hat man in
den Lagern der Vojvodina im Mai 1945 alles in allem 62.233 deutschstämmige
Deportierte verwahrt. Was ist mit den übrigen geschehen? Sie sind schwerlich
geflohen, schließlich wurden Fluchtversuche erbarmungslos geahndet. Wir können
uns nur zweierlei denken:
erstens, dass die Statistiken gefälscht sind; zweitens, dass man die fehlende
Differenz in den Massengräbern der Lager suchen muss.
Im Jareker Lager schmachteten 1945 im Frühjahr 16.700 Personen, unter ihnen
auch die 3.632 Ungarn aus Zabalj, Curug und Mosorin, die die serbischen
Vergeltungsmaßnahmen des Schajkascher Gebiets überlebt hatten und nicht den von
Oktober 1944 an bis zu ihrer Vertreibung nahezu ununterbrochen andauernden
Torturen und Hinrichtungen zum Opfer gefallen waren (147 Personen wurden nicht
nach Jarek, sondern ins nahegelegene Altker deportiert.). Mit den Curuger
Ungarn kamen auch mehrere aus Temerin stammende ungarische Familien nach Jarek:
sie hatten in früheren Jahren und Jahrzehnten in Temerin-nahen Curuger
Gemarkungsteilen ein wenig Feld oder einen Sallasch erworben. Obwohl sie
keinerlei Verantwortung für die Razzia vom Januar 1942 belastete, sie sich
vielmehr auf dem Sallasch oder in Temerin aufgehalten hatten, mussten sie das
Los der übrigen Curuger Ungarn teilen: sie wurden ihres gesamten Vermögens
beraubt, und nachdem das Ungarntum kollektiv für schuldig erklärt worden war -
angeblich auf Verlangen der Curuger und Zabaljer serbischen Einwohnerschaft -
hat man sie allesamt bei grimmiger Januarkälte und Schneetreiben zu Fuß ins
Jareker Lager abgeschoben.
Das Lager wurde in zwei Teile geteilt. In die eine Hälfte des Dorfes wurden die
aus insgesamt 45 Siedlungsorten hierher getriebenen Deutschen gepfercht, in die
andere Hälfte die Ungarn. Der ständige Hunger, der Mangel an Salz, die
Brutalität der Wachen und Lagerkommandanten, sodann die epidemischen
Krankheiten, besonders der im Frühjahr 1945 ausbrechende Bauchtyphus, kosteten
in der Folge mehrere Tausende das Leben. Gustav Morgenthaler nennt aufgrund
namentlicher Registrierung der Opfer 5.491 Verstorbene, davon 51 Jareker
Ureinwohner sowie 40 Temeriner Deutsche. (Nach anderen Angaben nahezu 70.)
Trotz den Unbilden blieb das Sterbematrikelbuch des Jareker Todeslagers
erhalten, dem zwar mehrere Blätter fehlen, trotzdem ist es ein wertvolles
Dokument insofern, als es die Daten und Todesursachen von insgesamt 2.576
Verstorbenen enthält. Aufgrund des Matrikelbuches stellte Sandor Meszaros fest,
dass im Jahre 1944/45 175, 1946 hingegen 211 deutsche Kleinkinder zugrunde
gingen.
Die dokumentierbaren Verluste der Ungarn betragen 121 Personen, davon 66
Erwachsene und 55 Kleinkinder. Diese Angaben sind wegen der Beschädigungen des
Matrikelbuches natürlich keineswegs vollständig.
Die, die sich zurückerinnern, sprechen - trotz der zeitlichen
"verklärenden Ferne" - mit Abscheu und Ekel von den im Lager
zugebrachten Monaten. Häufig betonen sie auch die Unmenschlichkeit der
Lagerleiter, besonders JANA DRAGOJLOVIC, MIRKO MEHADZIJA, MITO BOTIC und seine
Schwester, sowie ein DJOKA genannter Lagerleiter blieben ihnen in böser
Erinnerung. Die ungarischen Lagerinsassen erwähnen oft die aus Temerin
stammende "ROKA" ("Füchsin"), ILONA VARGA, die aus Mazedonien
als Partisanin zurückgekehrt war und alsbald Lagerleiterin wurde. Den Berichten
nach unterschied sie sich leider nicht viel von ihren serbischen Genossen und
Genossinnen.
Den Tausenden, die in den Lagern zugrunde gingen und gelitten haben, hat der
jugoslawische oder der serbische Staat niemals und auf keine, nicht einmal
symbolische, Art und Weise Abbitte geleistet. Bis in die jüngste Vergangenheit
kennzeichnete das schiere Totschweigen die Gesamtheit der serbischen
Gesellschaft, einschließlich der Kultur, der Schriftsteller und auch der
Presse. In Jarek wurden auch noch die Spuren der einstigen Opfer ausgetilgt:
der deutsche Friedhof wurde dem Erdboden gleich gemacht, sodann ein
Betriebsgelände über den Toten errichtet.
In der moralischen und materiellen Wiedergutmachung stehen der serbische und
der jugoslawische Staat weiterhin in der Schuld der Opfer und der Überlebenden.
Doch Schuldner sind auch die Selbstverwaltung und das heutige Jarek, auch wenn
die jetzigen Bewohner mit dem dort Geschehenen nichts zu tun haben, wurden sie
doch nach Auflösung des Lagers aus Bosnien hierher angesiedelt. Wir glauben,
dass die Zeit gekommen ist, den Geschehnissen ins Auge zu schauen und offen an
die in Jarek unschuldig zugrunde gegangenen Deutschen und Ungarn zu erinnern.
Aus dem Ungarischen übersetzt von Helmut Bischof,
Neckargemünd.
HEDI's
spätes Vermächtnis, ihre Briefe.
Zum Nachlass meiner 1986 in Kirchheim/Teck
verstorbenen Tante Margarethe Spannagel, der Schwester meiner Mutter,
gehörten auch drei Briefe von Hedi ihrer Tochter. Im Sept. und Nov. 1945
schrieb Hedi die Briefe aus dem Lager Jarek an ihre Mutter im Arbeitslager
Palanka und an meinen Großvater, der noch in Bulkes war.
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Hedwig
Spannagel, wir riefen sie Hedi, wurde am 17.09.1930 in Bulkes geboren und starb
am 25.01.1946, drei Monate nach ihrem letzten Brief im Lager Jarek im damaligen
Jugoslawien. Sie war die Tochter des Lehrers Adalbert Spannagel und seiner
Ehefrau Margarethe, geb. Fath. Vier Jahre nach der Ansiedlung von Bulkes 1786,
wurde 1790 Samuel Spannagel aus Kaschau stammend, der erste Kolonistenpfarrer
in Bulkes. Er löste den unglücklich agierenden ersten Pfarrer Hlivay der kein
Ansiedler war, ab. Samuel Spannagel und seine Nachkommen waren von Generation
zu Generation 86 Jahre lang als beliebte Pfarrer in Bulkes tätig. Meine
Cousine, die Hedi, war das Ur-Enkelkind des letzten Bulkeser Spannagel
Pfarrers.
Als am 15. April 1945, einem Sonntag, die Einwohner von Bulkes aus ihren Häuser
auf die Hutweide (Viehweide) getrieben und am nächsten Tag in Schotterwaggons
in Titos Sterbelager nach Jarek gebracht wurden, waren Hedi und ihre Omama auch
dabei.
Die Briefe schrieb meine Cousine aus dem Lager Jarek zu ihrer im Arbeitslager
Palanka internierten Mutter. Die Kutscher der Pferdewagen welche
arbeitsunfähige Personen aus dem Arbeitslager Palanka nach Jarek fuhren, nahmen
die auf das Kleinste zusammengefalteten Briefe, im Futter ihrer Kleidung
versteckt, auf ihren Fahrten mit. Zur Zeit des ersten Briefes vom 27. September
1945, fünf Monate nach der Einlieferung in das Lager Jarek, war ihre Omama
bereits gestorben. Familiäre Bindungen bestanden zu Kathrinche, meiner 9
jährigen Schwester, ihrer Cousine und dem 13 Jahre alten Degen Hans, dem
Großcousin ihre beiden Großeltern waren Geschwister). Auch Hans war alleine.
Der mit ihm nach Jarek gekommene Ur-Großvater, war im Juni und seine kleine
Schwester im Juli gestorben.
Den Inhalt der Briefe gebe ich im Originaltext- und schreibweise wieder.
"Jarek. 27. IX. 1945
Liebe Mama!
Habe
deinen Brief vom 22.IX. erhalten und will Dir gleich darauf antworten.Ich und
Kathrinche sind noch beieinander, wir sind noch bei den Leuten die eher
(vorher) bei uns im Haus waren. Als Omama starb war ich in Altker im Lager und
als ich nach Jarek zurückgekommen war, war ich krank gewesen, jetzt geht es
aber wieder. Ich habe von Dir weder Schreiben noch Päckchen erhalten, außer
einem Brief den du schriebst als ihr noch in Bulkes ward. Ich habe meinen
Rucksack in Bulkes an der Bahn erhalten und habe etwas zum anziehen. Ich muß
jetzt nicht in den Arbeitsdienst da ich krank war, früher ging ich jeden Tag.
Degen Hans sehen wir jeden Tag beim Essenholen, er sieht sehr mager aus.
Bei uns liebe Mama wird auch viel vom nach Hause gehen erzählt, Gott solls
geben dass es bald geschieht. Auch dass man Angehörige zu sich verlangen kann
habe ich gehört. Wir haben gleich 400 Tote aus Bulkes.
Nun will ich schließen liebe Mama mit viele Grüßen und einem baldigen Wiedersehen.
Hedi"
Sechs Wochen später schrieb sie einen Brief an meinen Großvater nach Bulkes.
"9.XI.1945
Lieber Hoffmannspat!
Seit
dem Brief mit den 100 Dinar haben wir noch keine Nachricht von Euch erhalten.
Kathrinche ist seit vorgestern im Spital. Es sind mehrere aus unserem Haus
dort. Der Arzt konstadierte Difus, angeblich soll es aber keiner sein sie
hoffen, dass sie bald heraus kommen. Degen Hans wurde gestern begraben. Wir
haben jetzt schon über 480 Tote. Wir hoffen, dass wir bald nach Hause gehen.
Gott soll geben, dass es auf Wahrheit beruht.
Herzliche Grüße an euch alle
Hedi"
Mein Großvater, de Hoffmannspat, musste in Bulkes
bleiben um die nach der Austreibung der Bulkeser Bewohner in das leere Dorf
gekommenen 5000 griechischen kommunistischen Kämpfer in der Feldarbeit zu
unterweisen. Offensichtlich war es ihm gelegentlich gelungen mit Geldzuwendung
aus dem entfernten Bulkes, den Hungernden in Jarek zu helfen. Den Tod seines
Enkelkindes Kathrinche am 25. Nov. 1945, deren Einweisung ins Spital er mit
diesem Schreiben erfahren hat, konnte er dennoch nicht verhindern. Meine
Schwester starb im Alter von 9 Jahren. Damals hatte Bulkes, sieben Monate nach
der Einweisung ins Lager Jarek, bei 972 eingewiesenen Personen schon 527 Tote
zu beklagen.
Mit dem Tode des 13 Jahre alt gewordenen Hans Degen, war das letzte
Familienmitglied der Familie Valentin Degen gestorben. Sein Vater Valentin
Degen fiel 1944 als deutscher Soldat in Russland. Der mit dem Hans und seiner
kleinen Schwester ins Lager nach Jarek eingewiesene Ur-Großvater starb am 20.
Juni 1945 in Jarek. Die kleine Schwester starb am 29. Juli 1945 im gleichen
Lager. Seine Mutter, zu Weihnachten 1944 nach Russland deportiert, starb am 8
September 1945 im Alter von 31 Jahren in den Kohlengruben von Antrazit in
Russland. Mit dem Tode von Hans, wir riefen ihn Häns'chen, ist die Familie
Valentin Degen ausgestorben.
Der dritte Brief aus der Hinterlassenschaft meiner Tante war wieder an sie, die
Mutter von Hedi gerichtet:
"9.XI.1945
Liebe Mama!
Ich
habe schon lange keine Nachricht von Dir erhalten, überhaupt habe ich erst zwei
Briefe erhalten Päckchen oder Geld noch nicht. Als Omama starb, war ich in
Altker im Lager. Ich war dann sehr krank als ich zurückkehrte, habe mich aber
jetzt schon erholt. Kathrinche ist seit vorgestern wegen Difus im Spital, soll
aber kein Difus sein sie hoffen das sie bald alle heraus kommen, aus unserem
Hause sind 3 fort (im Spital). Wir sind nicht im Kinderheim wie du schreibst
sondern bei den Leuten bei denen wir eher wohnten. Mit der Kleidung kann ich
auskommen, da ich seit ich krank war nicht auf die Arbeit gehen muß. Von Omamas
Kleidung habe ich schon für Lebensmittel verhandelt und koche uns als nebenbei
da man von Lagerkost allein nicht leben kann. Degen Hans wurde gestern
begraben. Wir haben schon 480 Tote. Von dem, dass Mutter und Kind zusammen
dürfen über Winter habe ich auch schon gehört, sind auch schon Eltern gekommen,
aber nur Kinder bis zu 10 Jahren. Wir hoffen das wir bald nach Hause kommen.
Auf baldiges Wiedersehen. Es grüßt Dich vielmals
Hedi
Grüße auch meine Kameradinen alle."
Bald nach Hause zu kommen und auf ein Wiedersehen, war
die Verabschiedung für immer. Hoffnungen, die sich im Leben nicht erfüllen
sollten. Unter den 37 Bulkeser Toten im Monat Januar 1945 im Lager Jarek, war
auch Hedi.
Drei Monate nach ihrem letzten Brief starb Hedi am 25. Januar 1945 im Alter von
15 Jahren. Meine Schwester s, Kathrinche, wurde nur 9 Jahre alt. Degen Hans
starb in Jarek im Alter von 15 Jahren. Drei Namen aus diesen Briefen, sie
stehen stellvertretend als Anklage vor der Weltöffentlichkeit für alle
unschuldig im Lager Jarek verhungerten Bulkeser Kinder.
Hedi's Briefe, mit einer Detailbeschreibung über die damaligen Bewandtnisse,
wurden im Jahr 2002 an Herrn Dr. Mathias Beer zur Archivierung in das
"Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde" in
Tübingen übergeben.
Wie sagte mir damals Herr Dr. Beer: "Ihre Details erlauben es die Briefe
einzuordnen, richtig zu verstehen und nicht zuletzt, weil sie von einem
besonders tragischen Kapitel der Donauschwäbischen Geschichte erzählen."
Heinrich Hoffmann
KOMMANDANTUR
In dem hier abgebildeten Wohnhaus der Familie
Wallrabenstein residierte die brüchtigte Kommandeurin Jana Dragojlović. Über ihr
außergewöhnlich brutales Verhalten berichteten später Augenzeugen:
Zitat aus dem Heimatbuch Schowe:
"...vor
Ostern - es könnte am Gründonnerstag 1945 gewesen sein - kam ein neuer
Lagerkommandant. Es war der dritte seit Bestehen des Lagers; es war eine Frau.
Ihren richtigen Namen konnte man nie erfahren, man nannte sie nur JANA/Janja. Mit dem
Erscheinen dieser Sadistin wurde das Jareker Lager mit einem Schlag zur wahren
Hölle. Nicht nur die Lagerinsassen verkrochen sich vor ihr, wenn sie - oder ihr
halbstarker Sohn - drohend mit der Peitsche durch das Lager ritt, auch die
Bewachungsmannschaft zitterte, wenn sie irgendwo erschien. Von der
Wachmannschaft forderte sie, die Menschen brutal zu behandeln.
Es geschah
manchmal, dass der eine oder andere Wachposten mit einem Gefangenen in
menschlichem Ton sprach; merkte er aber, dass Jana - vor deren Erscheinen man
nie sicher sein konnte - sich in der Nähe befand, wechselte er sofort den Ton
und ließ brüllend, ohne jeden Anlaß, eine Schimpfkanonade los...Lagerinsassen
waren nun vogelfrei... Die Verpflegung verschlechterte sich noch mehr...Es sei
einerlei, wo und wie man sterbe, ob im Stroh, auf der Strasse, im Feld oder
sonstwo bei der Arbeit,
sagte JANA/Janja.
Dabei führte sie immer wieder das Wort
"verrecken" (=crkavati) im Mund. Vor ihrem Erscheinen in Jarek
starben täglich 20-30 Menschen. Das war ihr aber zu wenig...Ihr Ziel erreichte
JANA freilich unter den herrschenden Zuständen dennoch bald und leicht:... Die
"sanitären Anlagen" waren primitive brüchige Latrinen, meterlange
Holzbalken über einer offenen Grube für alle und jeden...Hungerödeme, Läuse,
Ruhr und eine Thyphusseuche rafften jetzt die Befallenen in kurzer Zeit
dahin...Die Toten wurden gänzlich entkleidet, auf einen Pferdewagen aufeinander
geschmissen und allmorgentlich in ausgehobene Gruben am Ortsrand
geworfen...Jarek war nun ein Sterbelager...
Anmerkung zum nebenstehenden Bild:
So sahen die Kinder in Jarek aus, bevor sie "umkamen",
wie es euphemistisch im Katalog der aktuellen Ausstellung "Daheim an der Donau" 2009 geschrieben steht.
Bild-Quelle:
Leopold Rohrbacher in "Ein Volk ausgelöscht"
Zitat: "Eines von Tausenden der in den Todesmühlen verhungerter Kinder ist Herta Gärtner, geboren 31. 3. 1944 in Indjija (Syrmien). Als Säugling ist die kleine Herta mit ihrer Mutter noch in das Konzentrationslager getrieben worden. Erst 1946 konnte das Kind von der Großmutter auf der Flucht mitgenommen werden, starb aber wenige Tage nach seiner Ankunft in Oesterreich am 3. April 1946 in Bad Hall."
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Es würde zu weit führen, alle
Einzelheiten zu berichten, was diese Lagerkommandantin mit ihrer krankhaften
Phantasie ersann, um die Menschen zu quälen, zu foltern, sie seelisch und
physisch zu zermürben, mit dem Endziel, sie zu vernichten...Die Feldarbeit bei
den Ungaren und Serben der umliegenden Orte bedeutete dagegen für viele eine
Lebensrettung...obwohl manche auch das Gegenteil erlebten....
Knapp vor Weihnachten 1945 verschwand endlich die am meisten berüchtigte
Lagerkommandantin von Jarek, verschwand Janja Dragojlović!"
Martha Müllers Augenzeugen-Bericht:
Zitat aus
dem "Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien" Band
III
"...In der Früh mussten wir hinaus und wurden in
die Hauptstrasse getrieben. Vor der Kommandantur mussten wir Aufstellung
nehmen. Da wurden wir von der Wache gemustert und dabei sangen sie die Lieder:
"neće biti dana, da ne ide švaba", d.h. übersetzt: "Es wird
keinen Tag geben, an dem kein Schwabe umkommt", oder: "Ko ne radi, ne
treba da jede", was heißt: "Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu
essen". Und während wir so dastanden, ging einer in Zivil an uns vorbei
und musterte uns. Er erkannte mich, es war mein Friseur, der Serbe Gavro. Beim
Vorbeigehen sagte er mir: "Auch Sie sind hier?" Er ging einige
Schritte weiter, kam wieder zurück und im Vorbeigehen sagte er: "Ich werde
Ihnen helfen, soweit ich kann"...ich sollte im Krankenrevier
arbeiten...die Kranken lagen auf dem Fußboden auf ihrer Strohschütte und
warteten auf den Tod. Alle hatten Durchfall, und die Läuse krochen Ihnen über
das Gesicht. Sobald die Kranken tot waren, trugen wir sie in den Pferdestall
hinaus, von wo sie gegen Mittag abgeholt wurden. Im Laufe des Vormittags kam
die Lagerkommandantin JANA, um zu fragen, wieviele gestorben wären. Sie war
immer enttäuscht, denn die täglichen Zahlen waren ihr zu niedrig. Ich habe mit
eigenen Augen gesehen, wie sie mit ihren Stiefeln - sie trug grundsätzlich nur
deutsche Offiziersstiefel - Toten auf die Brust sprang, darauf herumtrampelte
und rief: "švaba, je si crko?" - "Schwabe, bist du
krepiert?"..."
RÜCKFÜHRUNG/REPATRIIERUNG
1950
treffen in Villach 55 deutsche Waisenkinder aus Jugoslawien ein, betreut von
der IRO (Bildmitte unten: IRO-Schwester Martha Müller aus Bulkes). Die Kinder
lebten über 5 Jahre lang getrennt von ihren Eltern, die deportiert oder in
Vernichtungslagern gestorben waren, in verschiedenen Kinderlagern Jugoslawiens.
Sie hatten zum größten Teil ihre Namen, Herkunft und Sprache
"verlernt". Das Rote Kreuz organisierte die Rückführung zu noch
lebenden Angehörigen.
GRÄBERSUCHE
Am 1. Mai
2001 besuchten Bulkeser (Peter Degen, Klaus Klemenz mit Margret, Heinrich
Jugenheimer, Heinrich Hoffmann, Hans Harfmann mit seiner Frau Gertrud, Heinrich
und Ingeborg Stephan und Bernd Sander mit den beiden Maglićer Serben: Milan
Pilipović und Dušan Knesević) - erstmalig nach der Lagerauflösung als Bulkeser
Reisegruppe - ihre in den Massengräbern ruhenden Angehörigen. Die Gräber liegen
links unter der Erde eines heutigen Altreifenlagers, welches durch einen 2m
hohen Drahtzaun abgegrenzt ist.
Das Bild von unserer Besuchergruppe ist düster. So war auch die Stimmung auf
dem Rückweg.
Heinrich Stephan
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